Steal the world/Fake it a better place…
(The Faking-Of Georg Paul Thomann)

von Frank Apunkt Schneider / Monochrom

„Anti-Nazi-Aktivisten sind selten an internationalen Cyberspace-Projekten beteiligt, Journalisten, die fürs ZDF [1] über die Mühl-Kommune [2] arbeiten, nehmen nicht Platten mit Red Krayola [3] auf. Und wer in Gruppen, die André Hitler [4] oder Der Arische Brauer [5] heißen, gegen die Wiener Fantasie-Priester vorgeht, schreibt nicht für die Jungle World. [6] Leider!“

So hat der deutsche Poptheoretiker Diedrich Diederichsen in der TAZ [7] die Spannweite und das zentrale Anliegen des monochrom-Projektes „Georg Paul Thomann“ umrissen. GPT ging es nicht darum, die jüngere Kunstgeschichte zu parodieren und in ihren klaffenden Inkongruenzen vorzuführen (das macht sie ja bereits selbst zur Genüge, z. B. als documenta), sondern ein Porträt von ihr anzufertigen, das sie in klassischer Porträt-Malerei-Tradition ein wenig besser aussehen lässt, als sie „in realiter“ ausgesehen hatte. Wobei die ästhetische Retusche hier mithin in eine theoretische umgeschlagen war, um ihr, der jüngeren Kunstgeschichte, einen Sinn und eine Funktion zu geben, die ein wenig mehr strahlen, als jener Sinn und jene Funktion, die sie innehat.

GPT als eine Art Füllfederhalter, der mit einer Zaubertinte befüllt ist. Eine Zaubertinte, die die verschütteten und verrammelten Konturen einer „linken“ Kunstgeschichte sichtbar macht, indem er seine Biographie schreibt. Oder so ähnlich. Einer linken Kunstgeschichte, die es so nie gegeben hat, denn Anti-Nazi-AktivistInnen haben ja meist gar keine Zeit, um an internationalen Cyberspace-Projekten teilzunehmen. Gegen Nazis sein, ist zu Recht ein Fulltime-Job, zumal bei den ganzen Nazis den ganzen Tag.

Eine linke Kunstgeschichte, die es aber gegeben habe könnte. Mit etwas Geduld und Spucke vielleicht.

Seltsamer- oder aber auch: erwartbarerweise war GPT in seiner lediglich Nebeneigenschaft als fingierter österreichischer Großkünstler allerdings ganz anders rezipiert worden. Als eine humoristisch abgefederte Form der Kritik am Kunstbetrieb, jenem Lieblingskind der auf das Kunstsystem bezogenen Kritik (1000 Mal überführt, 1000 Mal ist nichts passiert! Entlarvt, was euch entlarvt! Usw.). What a waste!

Wir wollen nicht leugnen, dass auch in GPT „den Kunstbetrieb demaskierende“ (iiih – wie das schon klingt…!) Momente eingegangen sind. Immerhin stellt die gut formulierte Kritik am Kunstbetrieb ja den kleinsten gemeinsamen Nenner des Kunstbetriebs dar. Und dieser wiederum ist nun mal die Wirkungsstätte und Resonanzfläche von GPT

Wir verwehren uns aber gegen eine einseitige Überbewertung jenes Moments, die gleichzeitig eine Entschärfung des gesamten Projektes ins Harmlos-Gemütliche bedeuten würde. Als Satire/Parodie/StudentInnenulk wäre GPT bedeutungslose Zielgruppenbespaßung. Eventkultur.

Daher erlauben wir uns, einer solchen Wahrnehmung von GPT zu entgegnen: Die Überwindung von Kunst in ihrer Hintertreibung („April! April!“) ist ein Mythos, der zu guter Letzt der Stabilisierung dieses Systems dient. Weil, sich dem Kunstsystem zu verweigern oder zu entziehen, kann diesem ja nicht das Mindeste anhaben. Terroristische Akte gehen anders, wenn wir auch leider nicht wissen, wie.

GPT versteht sich im kunsthistorischen Kontext einer Technik, für die sich seit den 1980er Jahren allmählich der Begriff des Fakes durchgesetzt hat.

Fake, die Fälschung – freilich nicht im Sinne harter ökonomischer Betrugsdelikte innerhalb des Kunstmarktes (aka das Anfertigen gefälschter MeisterInnen für den SammlerInnenmarkt). Das wäre vermutlich zuviel der (zumal handgreiflichen) Kritik und zuwenig der Rückversicherung durch die Tradition von Kunst als unbedrohliche, weil in den ihr zur Verfügung gestellten symbolischen Raum sich bescheidende frühbürgerliche Gattinnenfigur der Ökonomie.

Die Kunst hat sich nie bewaffnet, und wie sollte sie sich auch, sie hat ja gar keine Hände. Nur Wände.

Die Fälschungsabsicht des ästhetischen Fakes unterscheidet sich in genau einem entscheidenden Punkt von der Fälschungsabsicht im Bereich der Ökonomie (z. B. Counterfeits, Falschgeld), der Kommunikation (z. B. Lüge, Täuschung, Vorspieglung „falscher Tatsachen“) oder der Politik (z. B. gefälschte Identitätsurkunden).

Denn letztere haben zum Ziel: ihre Nichtauflösung! Fälschung heißt für sie auch, als Fälschung unerkannt zu bleiben. Undercover! Sie wollen und müssen selbst „Realität“ werden, ihr Realitätsanschein darf nirgends bröckeln. An ihrer „Wahr“-Nehmung hängt die Frage, ob sie gelingen oder ob sie scheitern. Und ihr Scheitern hat (anders als in der Kunstwelt, wo eher gemütlich und melancholisch und mythenbildend und beim Wein gescheitert wird) eine existenzielle Dimension: Knast, Abschiebung, soziale Ächtung und dergleichen mehr.

Die besondere, ja beinahe traditionalistische Spannung und didaktische Gespanntheit des ästhetischen Fakes hingegen resultiert gerade aus seiner zu vollziehenden Dialektik von Aufdeckung und Nichtaufdeckung. Es geht ihm eben nicht darum, gänzlich unerkannt zu bleiben, sondern seine zumindest graduelle Entlarvung produziert erst jene Aussagen, die sich von den Aussagen einer Werkfälschung abheben, die als unerkannte traditionelles Werk eines traditionellen Autorsubjektes bleibt.

Hiervon wären wiederum solche Fakes zu unterscheiden, die um einen Systemausschluss zu umgehen, Identitäten fälschen, wie im Falle der amerikanischen Jazzmusikerin Billy Tipton, die sich Zeit ihres Lebens als Mann ausgegeben und ausstaffiert hatte, um die Zugangsbeschränkung zur Jazzszene für phänotypische Frauen zu unterwandern. Eine solche Strategie gehört jedoch eher in den Bereich der politisch-sozialen Fälschung als in den einer ästhetischen Fake-Tradition, auch wenn sie dezidiert auf ein Subsystem innerhalb des Kunstsystems zielt. Zumal sie ja noch gar nicht in diesem stattfindet, sondern an dessen Grenzkontrollposten. Also im sozialen Außen von Kunst: ihrer Einlasskontrolle.

Fake als künstlerische Strategie bedeutet im Gegenzug hierzu leider, aber zum Glück (being a bourgeoise artist means: You won’t go to jail [you go to history instead…]) kein wirkliches, „betrügerisches“ Fälschen, sondern ein symbolisches Handeln in symbolischen Räumen. Ein Symbolhandeln, mehr ist nicht drin. Geweint wurde ja jetzt bereits genug hierüber. Und die Überwindung-in-die-Lebenspraxis-Pubertät der Kunst ist zum Glück unwiederbringlich vorbei. Wenn sie auch wild und schön und geil war, wie das jede Pubertät eben manchmal u. U. ist.

Als Gegenstand der Kunst ist Fake ebenso eine symbolische Technik wie jede andere auch, die im Kunstfeld zur Aufführung gelangt. Als „künstlerische“ Strategie verweist der Fake an die Kunstsphäre als seinen spezifischen Ort. Einen Ort, den er wie jedes beliebige „Einzelwerk“ zugleich mitkonstituiert: Ein Raum von, für und aus lediglich symbolischen Ereignissen. Abgeschirmt gegen andere „gesellschaftliche Teilsysteme“ durch eine gut verzurrte Systemgrenze. Und durch das im Wortsinne Schattendasein alles Symbolischen.

Das heißt aber nicht, dass das Einzelwerk lediglich die Geißel oder das Gefangene des Kunstsystems wäre, wie all die ästhetischen Befreiungstheologien seit dem Expressionismus gemeint hatten, und daher raus müsse, Luft brauche, sonst ersticke. Etc.

Das, was Kunst sein soll, setzt sich ja zusammen aus einer Kette von Einzelwerken, die mit der jeweils hegemonialen gesellschaftlichen Ideologie vom Kunstwerk multipliziert die der jeweils herrschenden Klasse gemäße Kunsttheorie ergeben. Im Falle der Kunst der bürgerlichen Gesellschaft wäre diese Ideologie die so genannte „Ästhetik“ als Wissenschaft vom Kunstwerk. In ihr werden die politisch-ideologischen Bedeutungen des Kunstwerkes als Einzelnes und als Solches verhandelt und festgelegt, z.B. exemplarische Freiheit und Autonomie sein zu sollen.

Die Ästhetik ist jedoch in ihrer Tätigkeit auf dieses Einzelwerk als das Zuzurichtende angewiesen. Da sie sich erst an dessen Erscheinungsweise und durch deren Erörterung hindurch behaupten kann, enthält jedes Einzelwerk noch einen Rest an „Freiheit“, versteht man/frau/sonstige hierunter jenen noch nicht zur Deckung mit der hegemonialen Ideologie gebrachten Rest. Jenes noch nicht in die Zucht und Ordnung des Bedeutens genommene Andere. Dieses Andere ist nicht von Dauer, eher eine Art Einlesefehler, um dessen Willen es sich aber lohnen könnte, das zu machen, was als Kunst etwas kleinlaut zur Rechten der Ökonomie und der Politik sitzt und in deren Verschnaufpausen etwas aufführen darf. Dieser Rest ist das Thema der realen Arbeit der fiktiven Entität GPT. Zu satten 71 Prozent, jedenfalls.

Aufgrund der Bestimmung jener äußersten Grenze des ästhetischen Fakes, nämlich Kunst zu sein und damit die gemeinsame äußerste Grenze zu besitzen, die jegliche kapitalistisch-liberalistisch eingefasste Kunst hat, kann nun der Versuch unternommen werden, seinen Möglichkeitsraum auszuloten.

Der Fake (übrigens zeigt sich der österreichische Großkünstler GPT selbst sehr an dieser Technik interessiert) handelt u. a von der Möglichkeit der Aneignung und Umverteilung. Der Aneignung und Umverteilung allerdings nichtgegenständlicher Besitzstände (die natürlich ihre gegenständliche Seite haben, auf die es hier aber ausnahmsweise mal nicht so recht ankommt).

Der Fake handelt von der Möglichkeit der Aneignung und Umverteilung von Realität. (Symbolischer Realität, wohlgemerkt!) Davon handeln natürlich alle Handlungen, die mit Realität(en) zu tun haben, selbst noch unsere Träume (was immer das eigentlich sein soll: Träume…). Jedoch handelt der Fake von einer anderen, neuen Form der Aneignung und Umverteilung von Realität, indem er die harte Grenze von Wahrheit und Unwahrheit ein klein wenig unterspült (ohne sie gleich ganz wegzublasen). Indem er Realität als Narration behandelt, als eine Geschichte, die sich keineswegs selbst schreibt, wie es uns beigebracht wurde. Sondern die einen verborgenen Erzähler hat, dem man/frau/sonstige z. B. den Namen „Klasseninteressen“ geben könnte. Ein Name ist ja bekanntlich so gut wie der andere.

Wobei wir diesen Begriff, ja diesen George W. Bush unter den Begriffen: „Realität…!“, ausnahmsweise einmal im vorproblematisierten Raum belassen wollen. Nicht weil er da etwa bleiben kann, ganz im Gegenteil, aber weil die „Tatsache“, dass es keine Realität gibt, nicht heißt, dass es keine Realität gibt. Klar, oder!?! Als eine willkürliche Übereinkunft, die auf nichts anderes verweist als den Konsens, der sie hervorgebracht hat, aus dem aber vertrackterweise ihre ramboförmige Deutungsmacht erwächst, ihre „Realität“ entsteht. Als Konsens wird sie wahr/real, nämlich total und totalitär. Der diskursive und soziale Umstand ihrer Hervorbringung macht sie zu dem, was sie schon a priori hatte sein sollen. Als gigantische tautologische Maschine lässt sie sich nicht mit dem Hinweis darauf ausknocken, dass sie lediglich eine gigantische tautologische Maschine ist. So wie der/die FaschistIn nicht davon tot umfällt, dass jemand sagt: „FaschistIn!“. Usw. usf.

Mehr dazu entnehmen Sie bitte der einschlägigen Fachliteratur…

Realität also (eingedenk der Effektform derselben). Im Falle des ästhetischen Fakes ist dies jedoch keine Realität aus dem Bereich des „Realen“ vielmehr jene ins „Symbolische“ (die Begriffsinkonsistenz zu Lacan sei Programm!) transformierte Realität von der und in der die Kunst handelt. Sei diese nun ihrem Selbstverständnis nach realistisch oder phantastisch, dies spielt keine Rolle für die Vorgängigkeit jenes gesellschaftlichen Realitätsbegriffes im weitest möglichen Sinne, auf die sich „realistische“ wie „phantastische“ Kunst jeweils gleichermaßen und mit lediglich umgepoltem Vorzeichen, darin immer aber affirmativ, beziehen.

Fake bedeutet in diesem Sinne als Kunst symbolisch gewordene Realität als Material zu nehmen und dieses Material zu (re)kombinieren. Worin abermals kein grundlegender Unterschied zur ästhetischen Mimesis-Tradition gesehen werden kann. Eher ein feiner, ja nahezu: ein verschlagener.

Für GPT war dieses Material die künstlerische Avantgarde der europäisch-westamerikanischen Nachkriegszeit (in gut geölter eurozentristischer Perspektive von einer Nachkriegszeit seit 1945 schlechthin zu sprechen, ist ein schlechter Scherz, den zu wiederholen wir uns an dieser Stelle sogar weigern werden).

Diese als (Kunst-)Geschichte (ab)geschlossene Erzählung mitsamt ihrem Trauerflor aus verlöschten Möglichkeiten und verpassten Chancen könnte theoretisch wieder aufbrechen, indem es als ästhetisches Material im Sinne einer zwar keineswegs alternativen, aber immerhin variierenden und kombinierenden Erzählung gruppiert wird… soweit die Idee.

Nicht angetastet werden sollten dabei die großen, eminent bedeutsamen zeithistorischen Koordinaten, die Makrostruktur dieser Erzählung, obwohl diese natürlich ebenso fiktional, nämlich ausgehandelt sind, wie alles. Und zwar lediglich, um zu vermeiden, dass GPT ins „Parallelweltgenre“ entweicht, jenes Binnengenre vornehmlich der literarischen Science Fiction, das z. B. von alternativen Ausgängen des Zweiten Weltkriegs handelt. Als Parallelweltnarration wäre GPT von vorneherein als lediglich fiktionale Intervention im Sinne einer liberal-bürgerlichen Erzähltradition festgeschrieben worden. Als Bestandteil einer Erzähltradition, die auf der gut bewachten Unterscheidung „real-fiktiv“ aufgepflanzt ist. GPT wäre sofort als Fiktion verhaftet worden, wären im Erzählen seiner Geschichte kunsthistorische „Groß-Tatsachen“ zu auffällig missachtet worden. Was auch bedeutet, dass gemäß der eingeübten Unterscheidungsweise die Bedeutung seines Aktionismus als lediglich ersonnen-erzählter belletristisch verdampft wäre. (Und dann, weil es manchmal Spaß macht, etwas zu beachten. Freiheit ist nämlich Opium für die Kunstszene.)

Vielleicht besitzt der Fake – versteht und benutzt man/frau/sonstige ihn nicht so eindimensional und im Sinne der bürgerlichen Satiretradition wie Brimcourt und Sokal – ja eine gleichsam existenzielle Doppelwerksstruktur, die dann eben das Kunstwerk als solches (auch als exemplarische Agentin des bürgerlichen Identitätsprinzips übrigens) verdoppelt, ein Zwei-Werks-Werk erschafft. Das innere (die reale materielle Existenz der Fälschung, als das, was das Werk unabhängig von dem/der UrheberIn zu seiner Realität hat) kann für sich stehen, wie es für zahlreiche Thomann-Werk intendiert gewesen war, dass nämlich Thomann alles das macht, was tatsächlich endlich mal jemand machen sollte…

Die Fakeebene wiederum besitzt eine vom „inneren Werk“ getrennte Existenz. Und was das Tollste ist: Sie müssen zusammen nicht als Einheit gelesen werden. „Das Ganze“ ist hier weithin sichtbar weniger als die Summe seiner Teile...!

Wir haben für GPT die etablierte und hochgradig realitätsmächtige (z. B. aus vielen Kanones bestehende) Erzählung „westliche Kunstgeschichte seit 1945“ als verbindlich gewählt. Sie sollte die Makrostruktur sein, die wir beibehalten wollten. Die als Spielmaterial ihre Mikrostrukturen zur Verfügung stellen sollte. In dem Text „Das Projekt »Georg Paul Thomann« als Eigenurin-Therapie des Realen“ der Wiener Kunsttheoretikerin und Leiterin des Linzer Interventions-Spitales „Höllergasse“ Susann Rabitsch war die Rede von GPT als „Sonde“ gewesen, die in die Mikrostrukturen der Kunstgeschichte eingelassen werde, um dort nach Herzenslust intervenieren zu können. Und das in einer paradoxen Vierfaltigkeit: als deren Wartungspersonal, als Forschungsreisende, als ihre Saboteurin und als ihre sympathische, jungunternehmerisch-rosige Umgestalterin. GPTs Bewegungen durch dieses Material ließen es gleichwohl anders zurück, als er es vorgefunden hatte. Reale Biographien und Ereignisse wurden umgeschrieben oder schlechterdings ersetzt, Daten verrückt, Unbekanntes aufgeworfen und Bekanntes untergepflügt etc.

Die intakt belassene Makrostruktur war zumindest insofern hiervon betroffen, als auf ihrer gleichsam „atomaren“ Konstitutionsebene Veränderungen und Umdeutungen ausgebracht worden waren, deren Wucherungsschübe sich als eine insgesamte Verunklarung des Gesamtsystems erweisen könnten (soweit das Wunschdenken der ProjektantInnen). Nicht um das Kunstsystem zu stürzen. Das auf keinen Fall, denn für jedes Kunstsystem das wir stürzen, stehen ja 10 neue auf…

Es folgt Anekdote 1: Die Arbeitsgrundlage „Biographie von GPT“ war von einem Kollektiv von ca. 20 Subjektivitätseinheiten (sprich: Personen im zivilrechtlichen Sinne) erstellt worden. Im Ergebnis konnte keineR der TeilnehmerInnen für den gesamten Text mit Sicherheit sagen, was in ihm nun fiktional und was faktional sei (d.h. zu welchen Realitätselementen GPT lediglich hinzugemixt worden war und welche für das Projekt eigens entworfen worden waren, diesbezügliche individuelle Mutmaßungen erwiesen sich in der Regel als unzutreffend). Das Bemerkenswerte daran: Wie ein Autor der klassischen Autortheorie hatte das Autorkollektivsubjekt sowohl ein Bewusstsein als auch ein Unterbewusstsein entwickelt, und sein/ihr Schreibprozess gestaltete sich als eine Interferenz von beidem. Toll, aber auch egal.

Dass die Irritationsprozesse verschiedentlich sogar mal über den Kunstraum in den Realitätsraum hinausgeschwappt sind, wollen wir im Sinne der oben ausgesprochenen Selbstbeschränkung-als-Kunst-Maxime nicht überbewerten. Jedoch ist es Thomann wenigstens in Partikeln gelungen, aus seinem Text-Kunst-Sinn-Knast zu entweichen und zumindest einige Sporen an die Nicht-Text-Kunst-Umwelt abzugeben.

Es folgen nun die Anekdoten 2-3: Ein norddeutscher Autohändler des angeblich gleichen Namens versuchte 2001 per Email Kontakt mit GPT aufzunehmen, um seinen berühmten Namensvetter persönlich zu treffen. Er hatte freilich kein Glück. Ebenso wenig ein österreichischer Journalist, den es keineswegs ermüdete, in mehreren Mails darauf hinzuweisen, dass ein ihm zugeschriebener Text, der in der GPT-Biographie erwähnt worden war, gar nicht von ihm stammen könne, da er zum genannten Zeitpunkt gar nicht mehr für das genannten Medium gearbeitet habe und darüber hinaus nie und nirgends einen Text dieses Titels publiziert habe. Nun gut, jetzt hat er eben einen solchen Text publiziert, ob es ihm passt oder nicht.

Dies, um nur einige Realitäts-Feedbacks zu nennen.

Genauso gut möglich, dass es sich hierbei nur um von Freunden oder Feinden des Projektes initiierte externe Werk-Beiträge, eben Fakes, gehandelt haben könnte. Wir können das nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. Und wozu auch?!

Anmerkungen

[1] ZDF steht für Zweites Deutsches Fernsehen.

[2] Otto Mühl (*1925 in Grodnau), österreichischer Aktionskünstler; Begründer 1972 der Friedrichshofskommune, aka Aktionsanalytische Organisation (AAO), inspiriert durch Reich.

[3] Red Krayola (zu manchen Zeiten auch Red Crayola geschrieben): Experimentelle und konzeptuelle Musikband, gegründet 1966 in Texas von Mayo Thompson und anderen. Später vor allem mit Mayo Thompson identifiziert.

[4] Anspielung auf den österreichischen Songschreiber André Heller (mbN Franz André Heller, *1947 in Wien).

[5] Anspielung auf den österreichischen Songschreiber und Maler Arik Brauer (mbN Erich Brauer. *1929 in Wien).

[6] Jungle World: linke deutsche Wochenzeitung, gegründet 1997 von ehemaligen Mitarbeitern der linken deutschen Tageszeitung Junge Welt, nachdem sie aufgrund eines Streiks gegen die Neuorientierung der Zeitung auf DDR-Nostalgie, und gegen linken Antisemitismus in der Berichterstattung über Israel, entlassen worden waren.

[7] TAZ: links-liberale deutsche Zeitung, von “TAgesZeitung”. Diedrich Diederichsen, Großer Abwesender, in: TAZ, 24 April 2002.